Die Hälfte aus den Einnahmen des Sozialen Tages ging an das Projekt "Pro Paraguay".
Frau Schmitz, die die Arbeit des Vereins koordiniert, hält sich zurzeit in Paraguay auf und schickt uns folgenden Bericht:

Liebe Schülerinnen und Schüler!

Gerade haben wir einen Vormittag im Mercado del Abasto, dem Großmarkt von Asunción verbracht und am ganz normalen Alltag im Kinderhort teilgenommen. Es war außergewöhnlich ruhig, als wir kamen. Die Kinder machten ihre Hausaufgaben. Die älteren Schüler schrieben in Schönschrift auf, in welchem Jahr und unter welchen Voraussetzungen der spätere Diktator Dr. Francia die Macht übernahm. Das war nämlich direkt nachdem Paraguay die Unabhängigkeit von Spanien erlangte, und das ist bald 200 Jahre her. Eine große Feier findet hierzu am 15. Mai statt.

Die jüngeren machten Rechenaufgaben. Diejenigen, die fertig waren, durften mit den LÜK-Kästen spielen, die wir vor zwei Jahren mitgebracht hatten.
In Deutschland schon lange aussortiert, arbeiten die Kinder gern mit diesem Material und sie sind stolz, wenn das vollständige Symbol auf der Rückseite der Plastikkärtchen die Richtigkeit ihrer Arbeit bestätigt.
Die ganz Kleinen dürfen malen, während die Großen lernen.Die ganz Kleinen dürfen malen, während die Großen lernen. So ist jede der drei Erzieherinnen beschäftigt  -  ebenso wie Gustavo, derzeit nicht mehr der einzige Mann im Team, weil Sebastian, ein junger Praktikant aus Deutschland, ihn unterstützt.

Manche der Kinder sind schon seit Bestehen des Hortes vor 7 Jahren dabei. Sie kennen uns und wissen, dass mit unserem Besuch meistens eine kleine Überraschung verbunden ist. So haben wir mit Elisabeth, der Leiterin, abgesprochen, dass heute jedes Kind einen Apfel bekommen soll. (Äpfel sind begehrt. Sie wachsen in Paraguay nicht und werden aus Argentinien importiert.) Sebastian und Gustavo heben je eine schwere Kiste mit Äpfeln und Bananen aus unserem Auto.  Alle Augen hängen aber an unserer Plastiktüte, die jetzt Elisabeth in der Hand hält. Deutlich zeichnet sich der neue Fußball ab.

Die Kinder, insgesamt etwa 70, kommen in zwei Schichten in den Hort, weil sie nachmittags bzw. vormittags die Schule besuchen. Sie wohnen auf dem Gelände des Großmarktes oder in der unmittelbaren Umgebung. Ein Zuhause haben die wenigsten.
Mütter, Großmütter oder sonstige Bezugspersonen, bei denen sie untergebracht sind, arbeiten für wenige Guaraníes (so heißt die paraguayische Währung) auf dem Markt. Selbst mit schlechter Schulbildung und unter erbärmlichen Umständen groß geworden, sind sie heute mit ihrer Lebenssituation überfordert. Der überwiegende Teil der jungen Hortbesucher wird  in seiner häuslichen Umgebung vernachlässigt.
Oft stören sie, sind unerwünscht in den engen Behausungen, die sich viele teilen. Sie werden Zeugen oder Opfer von Gewalt und Missbrauch.
Väter, falls es welche gibt, sind nur selten ein Vorbild.
Schulbesuch ist gesetzlich vorgeschrieben. Es bleibt aber ohne Konsequenzen, wenn die Kinder nicht zur Schule geschickt werden. Viele von ihnen sind sich selbst überlassen und streunen auf dem Gelände des Marktes herum.
In den Hort mögen sie manchmal nicht gehen, weil sie schmutzige Wäsche anhaben. In der Sommerhitze bitten sie darum, sich duschen zu dürfen.
Sie haben Hunger. Manche sagen das auch.
Zwei Mal in der Woche wird im Hort eine einfache Mahlzeit gekocht. Ansonsten gibt es ein Stückchen Brot mit Käse. Für manche Kinder, wie wir jetzt erfahren, die einzige Mahlzeit am Tag. Es ist wichtig, diese Informationen im direkten Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erhalten.


Das wird uns ermutigen, in Deutschland neben den Spenden für den reinen Unterhalt des Hortes (Gehälter, Miete, Strom, Wasser) verstärkt um Unterstützung bei der Ernährung der Kinder zu bitten.

Zuneigung, eine Umarmung, ein freundliches, ermutigendes Wort, Lob, Anerkennung, Hilfe bei den Hausaufgaben, eine Dusche, eine kleine Mahlzeit,  das alles bietet der Kinderhort den jungen Besuchern. Dafür müssen klare Regeln eingehalten werden.
Bewegt erzählt mir eine Erzieherin, die als Lehrerin keine Anstellung erhielt, wie dankbar sie für ihren Job ist. Nicht nur, weil sie mit ihrem Gehalt, etwa 250 Euro, die kleine Familie ernähren und sich abends an der Uni weiterbilden kann, sondern weil sie sich durch die Liebe und Anhänglichkeit der Kinder beschenkt fühlt.
Von außen betrachtet,  ist der Hort von den genau so aussehenden Gemüsehallen nicht zu unterscheiden. Innen haben die Mitarbeiter versucht, dem kargen Raum mit bunten Farben und Wandbildern ein kindgerechtes Aussehen zu geben.
In der Mini-Küche werden geschenktes, leicht beschädigtes Gemüse oder Salat sowie die wöchentliche  Eier-Spende verarbeitet. Beides reicht längst nicht aus, die durchschnittlich 60 bis 70 Kinder satt zu kriegen.

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Die Umgebung ist trist.
In der Abteilung für Obst und Gemüse von  minderer Qualität herrscht ein roher Ton. Hier steht an jeder Kiste jemand mit einem scharfen Messer in der Hand, um schadhafte Stellen aus der Ware heraus zu schneiden. Bei meinem ahnungslosen  Versuch, dort Obst zu kaufen, geriet ich  zwischen zwei Streitende und sah zu, dass ich schnell  wieder wegkam.

Jedes Hortkind besitzt seit dem vergangenen Jahr ein eigenes kleines Beet, ein Bäumchen, eine Pflanze. Es trägt die Verantwortung, muss sein Beet hüten, jäten und gießen. Unkraut rupfen als gemeinsame Aktion  wird vorher nicht mehr angekündigt, sonst kann es passieren, dass ein paar Drückeberger zu Hause bleiben. Andere lieben die Gartenarbeit und ziehen stolz mit der Schubkarre und der Gießkanne los. So beginnt es zwischen Abfallbergen, alten Holzkisten, Gemüseresten und Unkraut vorsichtig zu blühen und zu keimen.
Mit viel gutem Willen erkennt man schon eine grüne Spur, die sich Richtung Spielplatz schlängelt. Selbst das Gitter, das den Platz umzäunt, ist mit einer lila Blütenranke geschmückt. Ein großes Schild haben die Kinder gemalt. Sie bitten die Lastwagenfahrer, deren Reifen tiefe Spuren im Erdboden hinterlassen, ihr Gelände zu respektieren.Auch vor dem heutigen Fußballspiel holen die Jungs die Harke. Die LKW, aber auch der Regen, haben ihrem geliebten Bolzplatz wieder arg zugesetzt.
Jetzt  müssen die Reifenspuren begradigt und die kantigen Steine, die an die Oberfläche gewühlt wurden, mit Sand bedeckt werden. Das geschieht natürlich in Eile und nicht jedes Mal sehr gründlich.


"Nein, es tut gar nicht weh", antworten auf meine Nachfrage die jungen Helden, die barfuß  spielen. Dabei schielen sie auf den neuen Ball, denn der, mit dem sie jetzt spielen, ist total zerfleddert. Kein Wunder, bei diesem Boden!
Jetzt gibt es ein Gerangel, weil jeder das neue Prunkstück haben möchte.Gleichzeitig entdecken die Kleinen, dass sich im Plastikbeutel neues Spielzeug für die Sandkiste befindet. Es gibt heftige Fußtritte und Schläge zwischen zwei kleinen Jungs. Sie kämpfen mit den Mitteln, die sie von zu Hause kennen, und jeder zerrt an dem neuen Plastiklastwagen. Ich versuche zu vermitteln und bin froh, dass sich Daily, eine Erzieherin, einschaltet. Liebevoll aber konsequent umarmt sie den wilderen der beiden. In Guaraní, der Landessprache, die den Kindern vertrauter ist als Spanisch, schlichtet sie den Konflikt. Eine Gruppe verschwindet Richtung Sandkiste. Die Fußballspieler, in ihrer Mitte Gustavo, entwickeln ein solches Temperament, dass wir uns in Sicherheit bringen müssen.

Ein Eimer Wasser hilft, die rote Erde von Füßen, Beinen oder Schuhen zu waschen. Zum Abschied gibt es für jedes Kind ein freundliches Wort, ein Wagenkuss, ein Winken. Eine entkernte Apfelhälfte in der Hand, das restliche Obst gibt es morgen und übermorgen, machen sie sich langsam auf den Weg.

Sie haben Zeit, sie werden nicht erwartet.

 

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